Anlässlich der Ernennung zum Insekt des Jahres 2017 durfte ich ein Interview mit der Gottesanbeterin, Frau Mantis Religiosa, in meinem Garten führen. 😉 Erfahre in diesem Steckbrief mehr über das spannende Insekt. Aufgrund der Klimaerwärmung fühlen sich Gottesanbeterinnen in unseren Gärten immer wohler fühlen. Deshalb wird dieser Beitrag regelmäßig von mir ergänzt.
Frau Mantis, Sie wurden zum Insekt des Jahres 2017 ernannt. Macht Sie das stolz?
Stolz ist der falsche Ausdruck. Es wurde schon Zeit, dass auf mich und meine Familie aufmerksam gemacht wird. Noch immer gibt es viel zu viele Erdenbewohner, die nicht wissen, dass wir in Österreich zu Hause sind. Einigen soll gar nicht bekannt sein, dass es Gottesanbeterinnen gibt. Am schlimmsten sind die, die uns mit Heupferden verwechseln! Frau Mantis blickt mich konsterniert an.
Möchten Sie uns etwas über sich erzählen, damit wir Sie besser kennen lernen?
Na schau ma‘ mal, ob das hilft: Frau Mantis verdreht die Augen, bevor sie weiterspricht. Der Start ins Leben ist für eine Gottesanbeterin nicht sehr freundlich. Im Spätsommer / zu Herbstbeginn werden wir von unserer Mutter in einem schaumigen Eikokon – Oothek genannt – abgelegt. Bis zu 200 Eier müssen sich das bisschen Platz über den Winter teilen. Frau Mantis schaut etwas angeekelt. Wenigstens wird uns so nicht kalt. Im Frühjahr schlüpfen wir endlich. Und dann sind wir sofort auf uns alleine gestellt. Unsere Eltern sterben im Herbst. Geschwisterliebe gibt es bei uns keine, sobald wir geschlüpft sind, verteilen wir uns. Damit stellen wir sicher, dass wir nicht von einem Bruder oder einer Schwester gefressen werden. Trotzdem überleben nur wenige von uns. Frau Mantis tut mir jetzt fast leid.
In der Oothek legt die Gottesanbeterin bis zu 200 Eier an den unterschiedlichsten Plätzen im Naturgarten. Wenn die Jungen schlüpfen schauen sie schon aus wie eine Mantis Religiosa – nur viel kleiner.
Wollen Sie uns noch etwas über Ihre Jugend und die Liebe erzählen?
Unsere Jugendjahre sind anstrengend, abgesehen davon, dass wir uns von Geburt an selbst versorgen müssen. Fünf bis sieben Larvenstadien müssen wir hinter uns bringen. Das ist ganz schön anstrengend, immer wieder aus der eigenen Haut zu fahren! Ende Juli / Anfang August sind wir endlich ausgewachsen.
Was die Liebe betrifft, dafür bleibt in unserem kurzen Leben keine Zeit. Wir suchen den passenden Erzeuger für unseren Nachwuchs. Man will sich ja schließlich nicht mit jedem vervielfältigen. Allerdings müssen wir uns meistens mit dem zufrieden geben, was kommt. Aufgrund unseres Körpergewichts können wir nicht fliegen, sind also ziemlich ortsgebunden. Da bleibt oft nicht viel Auswahl und Dating-Plattformen gibt es für uns nicht. ☹️ Haben wir einen passablen „Gottesanbeter“ gefunden, kommen wir zu unserem eigentlichen Lebenszweck: der Fortpflanzung. Dafür lassen wir uns ordentlich Zeit. Das freudige Ereignis kann einige Stunden dauern. Frau Mantis schwebt kurz im siebenten Himmel.
Das war’s mit dem Vergnügen. Jetzt kann ich zusehen, wie mein Hinterleib noch dicker wird. Genervter Gesichtsausdruck unterstreicht ihre Worte. Glücklicherweise dauert, das nur wenige Tage. Dann lege ich die Eier in einer Oothek – ein schnell erhärtender Eikokon, aus dem ich selbst einmal geschlüpft bin – ab.
Damit habe ich meinen Lebenszweck erfüllt. Meine Tage sind gezählt. Noch im Herbst werde ich mein nicht sehr aufregendes Leben beenden.
Es gibt das Gerücht, dass Sie nach der Paarung das Männchen fressen. Stimmt das?
Schrecklich, dass das immer wieder besprochen wird. Frau Mantis schüttelt genervt den Kopf. Einige meiner Vorgängerinnen haben bei Versuchsanordnungen ihre Paarungspartner gefressen. Das lag allerdings nicht daran, dass wir den Paarungsakt automatisch mit dem Auffressen der Männchen beenden. Die armen „Versuchskaninchen“ reagierten so auf die viel zu engen Gefängnisse, in denen sie gehalten wurden.
In der Natur ist das nicht die Norm. Nur ca. 30 % der Männchen werden von meist verzweifelte Artgenossinnen nach der Paarung gefressen. Entweder sind sie hungrig oder leiden an Eiweißmangel.
Von diesen traurigen Schicksalen auf alle Gottesanbeterinnen zu schließen, ist fast rufschädigend. Das wäre ja so, als würde ich sagen, alle Frauen sind herrschsüchtig, nur weil ein paar ihre Männer unterdrücken.
Verschiedene Stadien der Gottesanbeterin
Bis zu sieben Mal häutet sich die Mantis Religiosa. In jedem Stadium passt sie ihr neues „Kleid“ der Umgebung an. Deshalb kannst du die Gottesanbeterin einmal in Grün und dann wieder in Braun beobachten.
Wovon hängt es ab, ob Sie ein grünes oder braunes Kleid tragen?
Als fleischfressendes Insekt ist es wichtig, gut getarnt zu sein. Je nachdem, wo ich mich niedergelassen habe, wähle ich bei der Häutung des passende Kleid. Sitze ich auf einer trockenen Graslandschaft, wird es eher braun sein. In grünem Buschwerk bin ich mit meinem grünen Outfit besser getarnt.
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Frau Mantis, Sie wurden letztens beim Verspeisen einer Biene beobachtet. Finden Sie das in Anbetracht des Bienensterbens okay?
Als Fleischfresserin geboren zu werden, habe ich mir nicht ausgesucht. Wenn in mich in meinen Jugendtagen von Blattläusen ernähre, wird das nicht besprochen. Frau Mantis macht einen leicht spinösen Mund, bevor sie fortfährt.
Nachdem es noch kein Futter-Lieferservice für Gottesanbeterinnen gibt, muss ich nehmen, was kommt. Und wenn es eine Biene ist, dann ist es halt eine Biene – das bringt Abwechslung auf den Speiseplan. Die Bienen, die ich im Laufe meines kurzen Lebens fresse, sind allerdings nicht Ursache für das Bienensterben. Jetzt ist der Gesichtsausdruck von Frau Mantis eher trotzig.
Vielleicht könnten Sie und Ihre Spezies den Umgang mit der Natur etwas überdenken. Spritzmittel auf den Feldern und Monokulturen gefährden nicht nur die Bienen. Erst unlängst habe ich einen Artikel zum Insektensterben gelesen. Andererseits schafft uns die damit verbundene Erderwärmung wieder mehr Lebensräume. Wir lieben die Wärme. Frau Mantis hat Herzerln in den Augen. 😍
Apropos Wärme. Wie sieht denn der ideale Lebensraum einer Gottesanbeterin aus?
Am wohlsten fühle ich mich auf warmen, trockenen Magerwiesen. Gras- und Buschlandschaften mag ich auch. Wichtig ist vor allem, dass es warm ist. Dichte Pflanzen finde ich super – da kann ich meinen Opfern besonders gut auflauern. Wenn man so unbeweglich ist, wie ich, muss man sich strategisch günstig platzieren.
Wo leben Gottesanbeterinnen in Österreich?
Vom Neusiedlersee bis nach Wien bin ich schon seit Jahrhunderten zuhause. Seit den 80er Jahren leben wir auch in der Steiermark und in Kärnten bis hin zu den südlichen Alpentälern. Durch den Klimawandel gibt es immer mehr Plätze in Österreich an denen sich Gottesanbeterinnen wohlfühlen.
Können Sie uns verraten, wie Sie zu Ihrem Namen kommen?
Wenn ich meine Fangarme so abwinkle sieht das angeblich der Gebetshaltung der Menschen ähnlich. Frau Mantis winkelt die Fangarme an und drückt sie gegeneinander. Daher hat man mich so benannt. Vom Beten werde ich nicht satt. Meine angewinkelten Fangarme ermöglichen mir einen raschen Zugriff, wenn sich Futter nähert.
Mein lateinischer Name Mantis religiosa bedeutet religiöse Seherin. Schon die alten Ägypter und verschiedene orientalische Völker waren von meinen Urahnen beeindruckt. Japanische Schwertkämpfer werden mit einem Symbol von mir geschmückt. Sogar ein Kung-Fu-Stil wurde nach meiner Familie benannt. Außerdem wurde ein Weltraumroboter nach meinem Vorbild gebaut! Und ganz ehrlich – so mancher Außerirdische in euren Filmen sieht mir schon sehr ähnlich. Frau Mantis setzt ihren selbstgefälligen Blick auf.
Was halten Sie davon, dass Sie in Österreich zu den streng geschützten Tierarten gehören?
Einerseits finde ich das gut. Nur so können wir sichergehen, dass wir die nächsten Jahrtausende überleben. Andererseits macht es mich sehr traurig, dass es erforderlich ist, uns auf eine Liste zu setzen, um unser Leben zu schützen. Frau Mantis lässt den Kopf nachdenklich hängen.
Frau Mantis, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch und wünsche Ihnen, dass sie bald den passenden Partner finden. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Interview zum besseren Verständnis für Gottesanbeterinnen beitragen.
War mir ein Vergnügen. Vor allem für meine NachfolgerInnen freut es mich, wenn die Menschen mehr Rücksicht auf uns nehmen. Ich hab ja nicht mehr viel davon. Mit einem gequälten Lächeln verabschiedet sich Frau Mantis.
Mantis Religiosa im Naturgarten
Es ist erst ein paar Jahre her, dass ich die erste Gottesanbeterin bei einem Foto-Spaziergang durch die Lobau gesehen habe. Seitdem bin ich immer auf der Suche nach den gut getarnten Fangschrecken. Ganz besonders freut es mich, dass sie sich in unserem Naturgarten wohl fühlen – jetzt brauche ich für ein Naturfoto nur raus gehen. Vor allem im Kiesgarten kann ich sie jedes Jahr beobachten. Besonders gern verstecken sie sich in Stauden, die viele Insekten anziehen. Der Steppensalbei und auch die Katzenminze gehört zu ihren Favoriten. Gerne versteckt sie sich in den Gräsern. In den Stauden, an der Fassade, am Holzzaun hinterlässt sie gerne die Oothek. Wir lassen die Stauden im Winter immer stehen, weil ja viele Insekten darin überwintern. Beim Frühjahrsschnitt finden wir immer wieder einmal eine Oothek – die lasse ich dann einfach dort, wo sie ist.
Auch in der Blumenwiese fühlen sich die Gottesanbeterinnen wohl.
Wenn du sie nicht gerade beim Fliegen / Landen siehst, ist es wirklich schwierig, eine Gottesanbeterin zu entdecken. Und das trotz der Größe von ca. 6 – 8 cm. Falls du die Gelegenheit hast, schau dir diese spannenden Tiere mit dem außerirdischen Blick von der Nähe an. Sie sind wirklich faszinierend und sie tun dir nichts. Außerdem sind sie hervorragende Naturfoto-Models. Und wenn du jemand kennst, der sich mit Gottesanbeterinnen nicht auskennt, darfst du dieses Interview gerne teilen.
Weibchen kann man am besten durch den dickeren Hinterleib vom Männchen unterscheiden. Sobald sie erwachsen sind, erkennt man die Weibchen an mehr Größe . Fühlen sich Gottesanbeterinnen bedroht, zeigen sie den schwarzen Augenfleck auf den Fangarmen. Damit wollen sie evtl. Feinden größer erscheinen. Als Lauerjäger verharrt die Gottesanbeterin unbeweglich, bis ihre Delikatesse in Reichweite ist. Für Insekten, die in den weißen Dornen der Fangarme gelandet sind, gibt es kein entrinnen mehr.
Hat es dir Spaß gemacht, Informationen über ein außergewöhnliches Tier in einem Interview zu bekommen? Dann interessiert dich vielleicht auch der Beitrag, in dem ich die Wildhunde verhört habe. Du wirst staunen über das Sozialleben dieser vom Aussterben bedrohten Rudeltiere.
Natur inspiriert, entspannt, lässt uns staunen und macht immer wieder Spaß. Deshalb liebe ich die Natur. Hast du auch Lust drauf? Ich zeig dir, wie schön, spannend, beeindruckend … sie ist – gerne zu deinem bevorzugten Themenbereich: naturFOTO, naturGARTEN, (natur)REISEN.
Wer die naturfreundin ist? Das erzähle ich dir hier: FROHnatur
20 Responses
Buchner Roland
wir haben vor einigen tagen eine grüne mantis in unserem garten. Österreich, bezirk st.pölten, genau kirchstetten bei neulengbach.
wir freuen uns darüber und beobachten weiter
Andrea Rammel
Lieber Roland,
ich freue mich mit euch über die grüne Mantis. Hoffentlich hattet ihr viel Spaß beim Beobachten.
Liebe Grüße,
Andrea
Klebefolien
Die Gottesanbieterin habe ich auch vor kurzem entdeckt. Echt ein atembaurabendes Wesen.
Das sind ziemlich sehr schöne Bilder.
Lg Emma
Andrea Rammel
Liebe Emma,
nachdem es immer wärmer bei uns wird, fühlen sich die Gottesanbeterinnen richtig wohl. Ich finde sie immer wieder aufs Neue faszinierend. Vielen Dank für dein Feedback.
Liebe Grüße,
Andrea
Holzgruber
Hallo, habe heute früh, August 2021 in meiner Wohnung im 2. Stock (Umland Wien) eine grüne Gottesanbeterin gefunden. Fenster war gekippt. Wie kommt die G. in diese Höhe und durch den schmalen Spalt.
Gibt es eine Erklärung dafür.
Grüße Heribert
Andrea Rammel
Hallo Heribert,
Im Umland von Wien ist es nicht ungewöhnlich, Gottesanbeterinnen zu finden. In der Lobau habe ich zum Beispiel auch immer wieder welche entdeckt. Der zweite Stock ist kein Problem, weil Gottesanbeterinnen auch fliegen können. Allerdings denke ich eher, dass sie die warme Hausmauer raufgeklettert ist. Das machen sie bei uns auch oft, wenn die Sonne auf die Mauer scheint. Und durch einen Fensterspalt kommt sie ganz leicht – sie ist ja nicht so dick.
Wir haben ja immer wieder Gottesanbeterinnen im Garten. Meistens entdecke ich sie nur durch Zufall beim Unkraut jäten oder Stauden schneiden. Ab August sind sie leichter zu finden – da suchen sie mehr die Sonne. Im Herbst sitzen dann einige im Hauseingang – ich denke, sie suchen dann ein geschütztes Plätzchen. Dann kann es schon einmal passieren, dass eine ins Haus kommt. Ich fange sie dann vorsichtig mit einem Glas und bringe sie wieder nach draußen.
Ich finde es super, dass so ein faszinierendes Tier den Weg zu dir gefunden hat.
Liebe Grüße,
Andrea
Miuh
Frau Mantis wurde sehr hübsch und aufgeweckt fotografiert, eine richtige Persönlichkeit! Meine Gratulation an beide, Fotografin und Model! Liebe Grüsse, Miuh
naturfreundin
Frau Mantis bedankt sich ganz herzlich für die anerkennenden Worte ;-). Und auch die Fotografin freut sich über das nette Feedback. Liebe Grüße, Andrea
Die Gartenphilosophin
Guten Morgen,
eine wunderbare Idee, mit einer Gottesanbeterin ein Interview zu führen, da bekommt man ganz andere Hintergrundinformationen. Toll!
LG
Ulrike, die Gartenphilosophin
naturfreundin
Leider komme ich viel zu selten dazu, mich mit meinen Gartenbewohnern zu unterhalten. Aber ich hoffe doch, dass da noch ein paar Interviews folgen :-). Vielen Dank für dein Feedback.
Liebe Grüße, Andrea
autarksein
Danke für den tollen Text und das schöne Video! Ich habe einiges dazu gelernt. Ich liebe die die Natur auch so sehr!!! Bei dir werde ich öfter vorbeischauen, es gitb viel zu entdecken. (-;
Liebe Grüße!
naturfreundin
Vielen Dank für dein schönes Feedback. Ich freu mich, dass du meine Liebe zur Natur teilst und natürlich auch darauf, dass du wieder vorbeischaust :-). Hab noch viele interessante Naturideen.
Liebe Grüße, Andrea
Oleg
Vielen Dank! Sehr Klasse und Toll!
Grosse Gruss aus Russland Oleg
naturfreundin
Sehr gerne Oleg. Danke für dein Feedback. :-). Liebe Grüße nach Russland, Andrea
Hella Jani
Ein ganz tolles Interview! Solche amüsanten, spannende Berichte liest man doch sehr gerne! So lernt man gern und einfach dazu! Vielen Dank und bitte um Nachschub ????
naturfreundin
Danke, Hella Jani.
Ich freue mich, wenn es mir gelingt, Natur auf amüsante Art zu präsentieren :-). Ideen für Nachschub habe ich noch viele.
Liebe Grüße,
Andrea
Organisation mit Sabine
Tolle Fotos! Ich habe selten so nebenbei und mit so viel Spaß etwas über die Natur gelernt. Vielen Dank dafür.
Sabine
naturfreundin
Liebe Sabine, dein Kommentar freut mich besonders. Das genau ist meine Absicht – mit einem Lächeln zeigen, wie spannend unsere Natur ist :-). Dein Feedback zeigt mir, dass ich am richtigen Weg bin. Danke dafür, liebe Grüße, Andrea
Sandra Liane Braun
Klasse! Da hat das Lesen Spaß gemacht 🙂
Schöne Grüße von einer anderen Naturfreundin 🙂
naturfreundin
Danke liebe Sandra. Freut mich, wenn dir das Lesen Spaß gemacht hat. Auch ein sehr interessanter Naturaspekt, mit dem du dich beschäftigst :-).